Until Dawn im Test

Until Dawn ist eines von den Spielen, die bereits mit ihrer Entwicklungsvergangenheit von sich reden machen. Angekündigt auf der gamescom 2012 für PlayStation 3, sollte aus dem Horror-Titel eigentlich ein auf PlayStation Move ausgelegtes First-Person-Spiel werden, bei dem die Taschenlampe einen zentralen Part einnimmt und mithilfe von Move gesteuert wird. Nachdem es allerdings lange Zeit still um das Projekt wurde, wurde schnell klar, dass etwas nicht geklappt haben muss und die Gerüchte um eine stille Einstellung wurden immer lauter. Genau zwei Jahre später enthüllte man dann allerdings, dass das Spiel inzwischen exklusiv für PlayStation 4 entwickelt wird, sämtliche Move-Steuermöglichkeiten fallen gelassen wurden und mit einer neuen Engine, sowie aufwändigem Motion-Capture nun ein neues Konzept hat. Am grundlegenden Genre und Setting wurde allerdings nichts verändert, womit sich Until Dawn selbst weiterhin als Teenie-Horror und Homage an bekannte Filme wie „Cabin in the Woods“ oder „Nightmare“ sieht. Wie gut das Spiel am Ende geworden ist, erfahrt ihr nun in unserem ausführlichen Test.

Keine Gute Idee!

Die Geschichte beginnt genau ein Jahr vor der eigentlichen Handlung des Spiels. Zehn befreundete Teenager haben sich, wie jedes Jahr anlässlich der Winterferien, auf einer Berghütte am Mount Washington getroffen um dort zu feiern. Durch scheinbar mysteriöse Umstände kommen dabei die beiden Zwillinge Hannah und Beth ums Leben. Für die restlichen acht und die breite Öffentlichkeit gelten die beiden allerdings auch ein Jahr später offiziell nur als vermisst, da man die Leichen der Mädchen nicht finden konnte. Nichtsdestotrotz versammeln sich die übrigen acht wieder zur gleichen Jahreszeit am selben Ort, um mit diesen traumatischen Ereignis ein für alle mal abschließen zu können. Ob das wirklich so eine gute Idee ist? Denn noch wissen sie nicht, dass ihnen eine der schlimmsten oder eventuell sogar die letzte Nacht ihres Lebens bevorsteht.

Wer hier jedoch erwartet gleich von Anfang an das große Slasher-Fest serviert zu bekommen, der wird leider enttäuscht. Until Dawn startet eher gemächlich und in den ersten drei Kapiteln passiert kaum etwas Interessantes oder Nennenswertes, das die spätere Handlung nachhaltig beeinflussen könnte. Dafür lernen wir die acht Protagonisten näher kennen und merken sofort, dass hierbei ganz tief in die Klischeekiste gegriffen wurde. Wer jemals auch nur einen Teenie-Film gesehen hat, dem werden diese Stereotypen sofort bekannt vorkommen. Da hätten wir beispielsweise den Sportler und Macho Mike, die schüchterne Ashley, die Zicke Jessica, die noch größere Zicke Emily und den Nerd der Gruppe Chris. Kaum einer der Charaktere löst zu Beginn des Spiels große Sympathien aus und eigentlich wartet man regelrecht darauf, dass der kaltblütige Massenmörder auftaucht und den einen oder anderen endlich aus der Handlung nimmt.

Die Spannung steigt von Minute zu Minute

Sobald dieser aber auftaucht, beginnt das Spiel ordentlich an Fahrt aufzunehmen, welche auch bis zum Finale gut gehalten wird. Die Stimmung wird düsterer und die anfangs nervigen und eindimensionalen Charaktere zeigen neue Facetten von sich, wodurch sie sympathischer werden und auch ans Herz wachsen – naja zumindest manche. Mit einigen Twists ändert sich zudem später noch einmal die eigentliche Ausrichtung des Spiels. Ohne hierbei genauer ins Detail zu gehen, ist es besonders interessant, wie übernatürliche Elemente eingebaut und wie genau mit diesen umgegangen wurde. Die letztliche Auflösung bzw. die Absichten des Killers werden nicht jeden überzeugen, als Überraschungseffekt ist es allerdings durchaus gelungen. Insgesamt ist die Geschichte sicherlich nicht Oscar-verdächtig, durch die dichte Atmosphäre und das tolle Setting, kann sie aber sehr gut über ihre ca. 7-8 Stunden unterhalten. 

Eingefleischte Horror-Film-Fans werden übrigens eine ganze Menge Referenzen an bekannte Filme in Until Dawn wiederfinden. Das kann von bestimmt platzierten Jump-Scares, ikonischen Kamerafahrten, über Handlungen und Dialoge der Charaktere, bis hin zu den gewählten Schauplätzen gehen. Der größte Pluspunkt hierbei ist, dass sich das Spiel stets bewusst ist, dass es ein Spiel ist und einen klaren B-Movie Charme versprüht. Mit diesem Wissen im Hinterkopf wird deshalb auch gerne mal versucht mit den Erwartungen des Spielers zu brechen.

Nur ein großes Quick-Time-Event?

Aber wie genau spielt sich Until Dawn eigentlich? Am besten könnte man es wohl als Spiel im Sinne von „Heavy Rain“, „Beyond Two Souls“ oder auch den letzten Telltale-Adventures bezeichnen. Im Grunde gibt es drei große Gameplay-Elemente: Das Erkunden der Umgebung, das Treffen von Entscheidungen und die Quick Time Events. Die letzten beiden Punkte können sich dabei aber auch gerne mal vermischen. Der große Haken und auch der Reiz ist hierbei, dass es keine Speicherpunkte gibt und man mit den getroffenen Entscheidungen leben muss. Da jeder der Charaktere im Spiel sterben oder überleben kann, entstehen so immer weder nervenaufreibende Momente und es gibt selbstverständlich auch eine ganze Reihe an verschiedenen Enden. Beim Erkunden kann man, neben verschiedenen Dokumenten und Hinweisen die zur Aufklärung des ganzen Mysteriums helfen, auch sogenannte Totems finden. Diese zeigen jeweils kurze Ausschnitte auf eine mögliche Zukunft der Charaktere und somit auch potenzielle Gefahrensituationen an. Im Charaktermenü sieht man außerdem die Eigenschaften der Person die man gerade steuert. Wie mutig, lustig oder ernst ist jemand und wie er / sie zu Person Y steht. All diese Werte ändern sich je nach den Entscheidungen die man trifft und können später durchaus Einfluss auf das Schicksal einiger Charaktere haben.

Viele verschiedene Möglichkeiten

Ohnehin gestaltet sich Until Dawn als relativ flexibel wenn es darum geht Entscheidungen Einfluss auf den Rest der Geschichte nehmen zu lassen. So können Charaktere an mehreren Stellen im Spiel sterben, einzelne Quick-Time-Events können bereits das Aus für jemanden bedeuten und selbst augenscheinlich kleinere Handlungen können später wieder in größerem Maße auf einen zurückfallen. Until Dawn wird dabei niemals zu einer komplett anderen Geschichte, egal welche Entscheidungen man trifft, aber dennoch schlägt es in der Hinsicht „Genre-Kollegen“ wie „The Walking Dead“  oder „The Wolf Among Us“ alle mal. Echtes spielerisches Können braucht man allerdings auch in Until Dawn nicht. Der einzige spielerische Anspruch der hier geboten wird, ist die Reaktionszeit bei den Quick-Time-Events. Das Gameplay besteht neben dem Erkunden der Umgebung nämlich hauptsächlich darin, einen kühlen Kopf zu bewahren und die vermeintlich richtigen Entscheidungen zu treffen. Das gilt vor allem auch dann, wenn mal wieder die bunten Tasten auf dem Bildschirm angezeigt werden. Denn vielleicht ist es nicht immer die klügste Entscheidung (sofort) zu drücken…

Eine Besonderheit ist, dass es nach jedem Kapitel eine Unterhaltung mit einem Psyschiater gibt, der euch unter anderem Fragen zu euren Ängsten stellt. Je nachdem wie ihr sie beantwortet, beeinflusst das die Umgebung und andere Dinge im Spiel. So werden zum Beispiel Leute die Angst vor Ratten haben, auch vermehrt auf solche Nager im Spiel treffen. Eine wirklich interessante Idee, die zudem clever in das Spiel eingebunden wurde. Auch verschiedene Features der PlayStation 4 werden übrigens gelungen genutzt. So muss man zum Beispiel den Controller in bestimmten Situation so ruhig wie möglich halten um nicht entdeckt zu werden, der Lautsprecher des Controllers signalisiert mit einem Ticken, sobald ein Quick-Time-Event beginnt und wer eine PlayStation Kamera hat, kann diese bei Bedarf auch noch anschließen. In bestimmten Situationen schießt sie dann ein Bild von euch und zeigt euch anschließend euren (erschrockenen) Gesichtsausdruck.

Gruselig schön

In Until Dawn wurden Motion Capturing-Aufnahmen mit echten Schauspielern durchgeführt, darunter unter anderem bekannte Namen wie Rami Malek oder Hayden Panettiere. Und das merkt man auch, denn besonders die Charaktere und ihre Mimik gehören mit zum Besten was es derzeit zu sehen gibt. Allerdings gibt es hier und da auch merkwürdige Grimassen, gerade wenn der Fokus zu sehr auf den Zähnen der Personen liegt. Aber auch der Rest des Spiels sieht wirklich gut aus. Da die Handlung fast ausschließlich in der Nacht spielt, kommen hier stimmungsvolle Nebel- oder andere Wettereffekte gelungen zum Einsatz. Auch die Soundkulisse ist absolut großartig, sowohl was die Musik an sich, als auch sämtliche Geräusche im Spiel angeht, da sie maßgeblich zur nervenaufreibenden Grundatmosphäre beitragen. Neben der deutschen Synchronisation, kann man übrigens auch jederzeit zu den englischen Originalstimmen wechseln.

FAZIT

Until Dawn kann über seine Spielzeit von 7-8 Stunden wirklich gut unterhalten. Trotz des etwas zähen Einstiegs und der wirklich unsympathischen Figuren zu Beginn, zieht die Geschichte ab einem gewissen Punkt massiv an und lässt einen dann auch nicht mehr von der Konsole los. Die Charaktere werden mit der Zeit vielschichtiger und wachsen einem schließlich ans Herz. Spielerisch muss man selbstverständlich wissen worauf man sich einlässt. Until Dawn bietet keine komplexen oder anspruchsvollen Spielmechaniken, der Fokus liegt einzig auf der Handlung und wie man diese mit größtenteils Quick-Time-Events beeinflusst. Dabei schafft es das Spiel jede Menge spannende Drucksituationen zu erschaffen und da man auch zu keinem Zeitpunkt „Game Over“ gehen kann, haben die Konsequenzen eine viel härtere Wirkung als bei anderen Spielen. Ob nun alle oder gar keiner der Gruppe bis zum Ende überlebt, hängt einzig davon ab, welche Entscheidungen man trifft. Zwar gibt es einige Twists, die beim zweiten Mal spielen keine Wirkung mehr zeigen, trotzdem bietet Until Dawn durchaus auch Wiederspielwert, gerade wenn es darum geht wer stirbt und wer überlebt. Das Spiel schafft es außerdem trotz vieler brutaler und spannender Momente, niemals seinen B-Movie-Charme zu verlieren und zwinkert beinahe durchgehend mit einem Auge dem Spieler zu. Fans von cineastischen Spielen, die zudem in audiovisueller Hinsicht überzeugen und auf dem neuesten Stand der Technik sind, können hier bedenkenlos zugreifen. Als Fan des Genres kommt man ohnehin nicht um Until Dawn herum, da das Setting trotz zahlreicher Filme in Videospielen bisher so gut wie gar nicht behandelt wurde.