Stellar Blade im Test

Zunächst als „Project Eve“ angekündigt, konnte Stellar Blade meine Aufmerksamkeit bereits zu seiner Enthüllung 2019 für sich gewinnen. Eine grafisch opulente neue Sci-Fi IP, die nicht zuletzt durch ihr Setting sehr stark an eines meiner Lieblingsspiele der vergangenen Konsolengeneration erinnert? Da bin ich natürlich dabei! Die Vergleiche zu besagtem NieR:Automata rissen auch über die folgenden Monate und Jahre nicht ab, als sich weiter herauskristallisierte, um was für eine Art von Spiel es sich hierbei handelt und weitere Details zu Story und den Charakteren bekannt wurden. Trotz vieler beeindruckender Trailer und Gameplay-Videos, blieben bei mir jedoch auch Restzweifel. Mit Entwickler Shift Up haben wir ein koreanisches Studio, das bis dato nicht nur ein unbeschriebenes Blatt war, sondern auch bisher nichts veröffentlicht hat, das auch nur annähernd an den Scale von Stellar Blade herankommt. Dass diese Zweifel jedoch unbegründet waren, konnte die spielbare Demo demonstrieren, die Ende März erschien. Meine damaligen Eindrücke könnt ihr euch hier anschauen. Spätestens dadurch angefixt, musste ich mir das finale Spiel natürlich direkt zum Launch anschauen. Ob und wie gut dieses auf dem ersten sehr positiven Eindruck aufgebaut hat, möchte ich nun in den kommenden Zeilen ausführen.

Ich habe bereits von der Nähe zu Nier:Automata gesprochen und so sehr mich selbst Vergleiche dieser Art oft ermüden, kommt man hier nicht daran vorbei genau diesen zu ziehen. Die Ähnlichkeit in Präsentation, Ästhetik und Setting, gepaart mit einer starken Protagonistin, sind sicher kein Zufall. So könnten die ersten Minuten des Spiels als komplette Homage an das Intro von Yoko Taros Kultklassiker durchgehen. Als Teil eines Sonderkommandos von Mother’s Sphere, der letzten Hoffnung der Menschen, landen wir als Eve nach einer turbulenten Weltraumschlacht auf der Erde, um diese von den sogenannten Naytibas zu befreien. Dabei handelt es sich um Monster-artige Kreaturen und unsere Hauptgegnertypen im Spiel, welche die Erde beinahe völlig besetzt haben. Dazu gesellt sich der Scavenger Adam, der sich bereits länger auf der Erde aufhält und Eve mitsamt einer fliegenden Drohne auf ihrem Abenteuer zur Seite steht.

Die postapokalyptische Sci-Fi-Welt, die Stellar Blade präsentiert, ist nicht nur technisch wunderschön, sondern versprüht Dank der Musik von NieR-Komponist Keichi Okabe, eine ganz besondere Atmosphäre, die von getragenen Vocal-Einlagen im Pop-Stil, über klassische Orchester, bis hin zu futuristisch treibenden Sounds auch eine große Bandbreite an Genres abdeckt. Es gibt immer wieder Stellen, die zum Innehalten einladen, um bspw. die tolle Aussicht vom höchsten Punkt eines Hochauses zu genießen und sich von der Musik verzaubern zu lassen.

Und auch storytechnisch ist der Aufhänger und das Mysterium Motivation genug, um stets wissen zu wollen, was die nächste Cutscene offenbart. Zwar bleiben viele der Charaktere – inklusive Eve selbst – bis zum Ende eher blass, die dahinterliegende Story rund um den Krieg zwischen den Menschen und den Naytibas bleibt aber bis zum Ende spannend und wirft immer wieder interessante Fragen auf. Zusätzlich bereichern gerade die kleinen Sidestories die Welt ungemein, indem sie das Leben und die Schicksale der Bewohner von Xion näher beleuchten. So helfen wir in einer davon, einer Sängerin, die ihr Bewusstsein verloren hat und helfen ihr dabei, ihr Leben zurück in den Griff zu bekommen. Nebenquests folgen oftmals einer sehr formelhaften Fetch-Struktur, wissen aber auch immer wieder mit kleinen Überraschungen zu punkten. So besteht bspw. eine Questline aus reinen Rechenaufgaben, bei denen Mathematik-Muffel sicher ein bisschen zu knabbern haben.

Das Herzstück von Stellar Blade ist ganz klar das Kampfsystem. Und wie bereits in meiner Preview festgestellt, könnte man zwar den Eindruck gewinnen, es handle sich hierbei um ein weiteres Character-Action-Game im Stile von Devil May Cry, Bayonetta und co., tatsächlich ist das aber nur die halbe Wahrheit. Die reine Kampfchoreografie und flashy Stilistik der Angriffe erinnert ohne Zweifel an die oben genannten Titel, hinzu kommt allerdings eine Komponente, die dem ganzen einen neuen Twist verpasst und dadurch eher an Titel wie Sekiro oder das von mir zuletzt besprochene Sifu erinnert, in dem das Lesen der Gegner und das perfekte Parieren und Ausweichen essentieller Kern der Kämpfe ist. So muss zum Beispiel ein hellblau aufleuchtender Angriff des gegners, mit dem sogenannten „Blink“-Move gekontert werden, bei dem man sich hinter den Gegner teleportiert und so eine Chance zum Gegenschlag hat. Ein besonderes Highlight stellen hierbei die verschiedenen Bosskämpfe dar, die spielerisch alles abverlangen und inszenatorisch ein Effektgewitter sondergleichen abfeiern. Genau bei diesen 1 vs. 1 Kämpfen glänzt das Kampfsystem besonders gut, weil man sich perfekt auf das Gegenüber einlassen muss. Beim Treffen auf eine größere Gruppe von Gegnern weist es hingegen seine Schwächen auf, weil der Fokus der Kämpfe und die eher eingeschränkte Mobilität von Eve selbst, nicht darauf ausgelegt ist, eine Vielzahl an Gegnern gleichzeitig zu verdreschen, wie man es vielleicht von einem Bayonetta oder den Musou-Games kennt.

Nach einiger Zeit erhält man zusätzlich eine Schusswaffe, mit der die Positionierung innerhalb des Schlachtfelds mehr Möglichkeiten eröffnet und das Game steckt uns sogar an bestimmten Punkten in Abschnitte, in denen wir ausschließlich auf diese zurückgreifen können. In diesen Passagen wechselt das Spiel in einen Sci-Fi Horrorabschnitt, der in seinen besten Momenten an Klassiker wie Dead Space erinnert. Sie lockern dabei nicht nur die sonstigen Kämpfe auf, sondern machen gleichzeitig auch eine Menge Spaß.

Stellar Blade ist bis auf ein paar kleine Spitzen kein übermäßig schweres Spiel, es bestraft einen nicht mal beim Tod mit dem Verlust von Gegenständen oder Erfahrungspunkten, man kann in der Regel von einem nahegelegenen Rastpunkt einfach weiterspielen. Die feindlichen Encounter werden dabei aber trotzdem niemals zu Selbstläufern, was bedeutet, dass Aufmerksam spielen muss und nicht nur wild auf die Tasten hämmern sollte, um erfolgreich zu sein.

Abseits der Kämpfe überrascht das Spiel mit deutlich mehr Abwechslung im Gameplay, als ich es im Vorfeld erwartet hätte. Wir klettern, schwimmen, tauchen und erkunden uns durch die verschiedenen Gebiete, können dabei versteckte Gegenstände und Areale finden. Diese sind dabei oftmals mit cleveren Shortcuts versehen, die man durch kleinere Rätsel, wie dem Verschieben von Objekten, freischaltet. Hin und wieder gibt es sogar kleinere Plattformer-Elemente, wie Wallrunning- oder Sprungabschnitten. Dabei überreizt es niemals die Dauer dieser Abschnitte und belohnt einen am Ende auch stets mit sinnvollen Gegenständen, Upgradematerialien, oder alternativen Kostümen für Eve, wodurch man stets motiviert ist, hinter jede Ecke der Welt zu schauen. Ohnehin ist das eine der ganz großen Stärken des Spiels, dass es unsere Neugier belohnt und uns nicht mit belanglosen Beschäftigungen oder Loot aufhält.

YouTube player

Fazit
Stellar Blade ist ein phänomenales Game, das meine initialen Erwartungen mehr als übertroffen hat. Ich bin gerade zu verblüfft, wie Shift Up es mit ihrem ersten AAA-Konsolengame geschafft haben, ein so poliertes und rundes Werk abzuliefern, das mich über 30 Stunden bestens unterhalten konnte. Es reiht sich in Sachen Optik und Bildgewalt nahtlos in die sonstige Riege der PlayStation 1st-Party-Produktionen ein und es überrascht mich deshalb nicht, dass Sony hier genug Vertrauen in das Projekt hatte, um es quasi als solchen zu positionieren. Ob DLC oder Sequel, ich hoffe wir werden in Zukunft mehr von Stellar Blade sehen, damit das tolle und sehr eigene Kampfsystem weiter verfeinert und die angesprochenen Schwächen des Spiels ausgemerzt werden können. Die Basis dafür könnte mit so einem Erstling kaum besser sein. In jedem Fall bin ich aber sehr gespannt, woran Shift Up als nächstes arbeiten, denn sie sind ab sofort ein Name, den man sich besser merkt.

Für all die, die nicht genug von Stellar Blade bekommen können, wird es von uns in Bälde außerdem noch eine ausführliche Video- und Podcastbesprechung inklusive Spoilerteil geben.


Stellar Blade ist seit dem 23. Mai 2024 exklusiv für PlayStation 5 erhältlich.
Vielen Dank an Sony PlayStation für die Bereitstellung des Review-Codes!