Kingdom Hearts III im Test

Beinahe 14 Jahre mussten Fans auf den nächsten Hauptteil der Kingdom-Hearts-Reihe warten. Als jemand, der den Großteil der Games mit Freude gespielt hat, waren meine Erwartungen an den nun offizell dritten Teil zwar hoch, aber niemals ohne Restzweifel. Vor allem war ich natürlich gespannt darauf, wie Square Enix den groß angekündigten Abschluss der nun über 16 Jahre weilenden Xehanort-Saga schaffen und ob der Sprung auf die aktuellen Heimkonsolen endlich auch viele der bestehenden Probleme beheben würde. Ob und wie gut Kingdom Hearts III das gelingt, beantworte ich im folgenden Video-Test:

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Das Kingdom Hearts III Review in Textform

Bereits seit 2002 begleitet uns die Geschichte von Sora, Donald , Goofy und Co., doch trotz zahlreicher Spin-Offs und Neuauflagen handelt es sich bei dem neuesten Abenteuer um den ersten Hauptteil der Reihe seit dem Ende der PlayStation 2-Ära. Mit der Rückkehr auf die aktuellen Heimkonsolen versprechen Square Enix und Disney einen fulminanten Abschluss der über 16 Jahre aufgebauten Story. Dementsprechend hohe Erwartungen gingen dem Release des Spiels voraus, doch kann Kingdom Hearts III der langen Wartezeit überhaupt gerecht werden?

Nachdem Sora in der letzten Konfrontation mit Bösewicht Xehanort einen Großteil seiner Fähigkeiten verloren hat, macht er sich mit Hilfe seiner Gefährten Donald und Goofy erneut in verschiedene Welten auf, in der Hoffnung, seine Kräfte so wiederzuerlangen. Ziel ist es, gemeinsam mit den sechs anderen verbleibenden Schlüsselschwert-Trägern die Organisation XIII endgültig zu besiegen und diese an der Herstellung der mächtigen χ-Klinge zu hindern. Während sich Fans der Reihe dabei auf einen Abschluss der über Jahre aufgebauten Saga freuen dürfen, werden es Neueinsteiger schwer haben, die Handlung mit all ihren Facetten zu verstehen. Zwar gibt sich das Spiel Mühe, die Story der Vorgänger in regelmäßigen Abständen aufzuarbeiten – so gibt es unter anderem eine etwa 30-minütige Zusammenfassung der Geschichte im Hauptmenü – dennoch werden die komplexen Zusammenhänge der Figuren, samt ihrer zahlreichen Inkarnationen, Zeitreisen und Doppelgänger, zweifelsohne für Verwirrung sorgen. Grundlegend verfolgen lässt sich die Story aber auch ohne Vorkenntnisse, ist sie doch nichts anderes als eine manchmal überkompliziert wirkende „Gut gegen Böse“-Erzählung. Schwerwiegender bleibt hingegen das oftmals ungelenke Writing. Denn auch dieses Mal sind kitschige One-Liner und zum Kopfschütteln inszenierte Konversationen an der Tagesordnung. Vor allem Protagonist Sora schlägt dabei mehr als einmal über die Grenze des guten Geschmacks. Auch Timing-Probleme führen gerne zu verkrampften und wenig natürlichen Gesprächsverläufen, die aufgrund der grafischen Qualität nun noch stärker auffallen. Dabei gelingt es der Story sogar, viele der losen Handlungsstränge zu einem befriedigenden Ende zu führen. Figuren wie Kairi allerdings hinterlassen einen faden Beigeschmack, da sie ohne jegliche Charakterentwicklung bis zum Ende zum reinen Plot-Device verkommen. Des Weiteren ist die komplette Abwesenheit von Final Fantasy Charakteren etwas enttäuschend, zumal Figuren wie Squall und Yuffie in vergangenen Teilen tatsächlich zentrale Elemente der Geschichte waren. Bis auf die Mogrys als Shopbesitzer und kleineren Easter Eggs fehlt von dem einstigen Verkaufsargument der Reihe jede Spur.

Als erstes Heimkonsolenabenteuer seit der PS2 ist der technische Sprung in sämtlichen Bereichen sichtbar. Bis auf wenige inkonsistente Stellen, gibt Kingdom Hearts III grafisch ein phänomenales Bild ab. Die verschiedenen Disney-Welten sind mit Abstand die weitläufigsten und detailreichsten der Reihe und fühlen sich erstmals wie tatsächliche Abbilder ihrer Film-Gegenstücke an. Insbesondere die neuen Pixar-Vertreter wie Rapunzel und Frozen fügen sich dabei fantastisch in das Kingdom Hearts-Universum ein und sind ohne direkten Vergleich kaum noch von ihren Vorlagen zu unterscheiden. Storytechnisch werden erstmals nicht nur verkürzte Versionen der Filme durchgekaut, auch eigens für das Spiel geschriebene Szenarien sind vorhanden – so zum Beispiel in der Welt von Toy Story. Der Charme und die verspielten Eigenheiten der ikonischen Figuren werden dabei gelungen eingefangen und bilden gleichzeitig einen tollen Kontrast zu den manchmal sich selbst zu ernstnehmenden Kingdom Hearts Charakteren. So sind sie sich nicht zu schade, auch mal einen spöttischen Kommentar über die Albernheit der Situation abzugeben. Zwar schwankt die Qualität der Welten, eine wirkliche Pleite stellt allerdings nur die reine Minispielwelt von Winnie-Puh dar. Problematischer ist die eintönige Erzählstruktur, die alle Welten plagt: Ein Mitglied der Organisation taucht zu Beginn auf, lässt einen bedeutungsschwangeren Monolog von sich und trägt die Geschichte kein Stück nach vorne. Sämtliche storyrelevanten Ereignisse finden nämlich außerhalb beziehungsweise erst nach dem Bereisen aller Disney-Welten statt, wodurch eine merkwürdige Zweiteilung zwischen diesen und der eigentlichen Handlung von Kingdom Hearts entsteht. Der Wegfall eines richtigen finalen Dungeons befüttert dabei das merkwürdige Pacing nur weiter.

Auch wenn die Anzahl der Welten dieses Mal etwas geringer ausfällt, wiegt die schiere Größe der Areale das ganze wieder auf. Stets unterlegt von den fantastischen Klängen des Soundtracks, schafft es jede davon in Kombination mit einem prägnanten Stil, ihre ganz eigene Atmosphäre zu erzeugen. Dank Soras neuer Fähigkeit Wände hochzulaufen, bieten die Level außerdem eine erstaunliche Vertikalität, welche deren Struktur auflockern und neue Gameplaymöglichkeiten schaffen. Bewegungsfreiheit ist hier zentral, so kehrt unter anderem das Free Flow-System aus Dream Drop Distance zurück, mit dem man stylisch von Objekt zu Objekt flitzen kann. Man kann auf Schienen sliden, schwimmen, tauchen, fliegen oder aus hundert Metern Höhe auf Gegner zurasen. Motivierend sind darüber hinaus die königlichen Symbole, die geschickt platziert überall in den Welten versteckt sind und durch das Fotografieren zusätzliche Boni freischalten. Das Erkunden und Fortbewegen innerhalb der Level wird dadurch selbst zu einer unterhaltsamen Aktivität und stellt eine der großen Stärken dar. Die trotzdem noch vorhandenen und manchmal plump platzierten unsichtbaren Levelgrenzen, sowie die sehr eingeschränkte Interaktivität mit den NPCs, sind dabei jedoch kleine Wehrmutstropfen.

Auch das Kampfsystem bedient sich an den besten Elementen der Reihe und wird zusätzlich durch neue Ideen sinnvoll ergänzt. Zauber können wie schon in Birth By Sleep 0.2 nun einfach im Laufen eingesetzt werden. Sora kann sich ähnlich wie Noctis aus Final Fantasy XV blitzschnell zu Objekten und Gegnern teleportieren, fließend zwischen bis zu drei vorher ausgerüsteten Schlüsselschwertern wechseln und diese zu komplett neuen Waffen transformieren. Hinzu kommen situationsbedingte Aktionen mit den Teammitgliedern wie beispielsweise ein Meteortanz mit Donald oder ein Rundumschwung mit Rapunzels Haaren. Mächtige Beschwörungen von Disney-Figuren wie Simba oder Arielle, sowie abgefahrene Disneyattraktionen, die den Bildschirm in ein buntes Effektgewitter tauchen, sind auch mit am Start, bilden aber gleichzeitig oft den „Drücke Dreieck zum gewinnen“-Ausweg. Die riesige Anzahl an Optionen im Kampf kann zunächst erschlagend wirken, führt aber stets dazu, dass Abwechslung aufkommt und ein derartiger Flow entsteht, dass die Kämpfe nicht langweilig werden. Neue Fähigkeiten werden mit voranschreitendem Level freigeschaltet und können je nach Bedarf im Menü ausgerüstet werden. Dabei erhält man regelmäßig nützliche Moves, Zauber oder Teamattacken, die das Gameplay interessant halten. Zusätzlich ist es möglich mithilfe von Items Gerichte zu kochen, die einem temporäre Status-Boni verleihen – notwendig sind diese im normalen Schwierigkeitsgrad allerdings nicht, da die Kämpfe, bis auf einige der Bossfights, keine großen Hindernisse darstellen.

Eine Rückkehr feiert außerdem das Gummi-Schiff, das wie immer als Transportmittel zwischen den verschiedenen Welten fungiert. Statt On-Rail-Passagen wie in den Vorgängern, kann man dieses Mal frei in den Galaxien herumfliegen, versteckte Items entdecken und seine eigene Flugbahn zur nächsten Welt bestimmen. Dabei gibt es etliche Anpassungsmöglichkeiten mit denen das Aussehen und die Waffen des Gummischiffs verändert werden können. Da die meisten Gefechte optional bleiben, können diese aber auch ohne Angst vernachlässigt werden. Für alle, die schon in den Vorgängern mit diesen Abschnitten nichts damit anfangen konnten, bleibt das Gummisschiff allerdings trotzdem eine eher lästige Pflicht.

Kingdom Hearts III bildet ein gelungenes Ende der lange aufgebauten Saga, das weiterhin mit eklatanten erzählerischen Mängeln zu kämpfen hat, gleichzeitig aber auch seine Stärken konsequent auszuspielen weiß. An der Grundstruktur hat sich zwar seit dem ersten Teil wenig geändert – mit den besten Disney-Welten und dem bislang dynamischsten Gameplay, bietet es über seine 30 Stunden hinweg aber genug Qualitäten, um den Thron als bester Teil der Reihe mit Leichtigkeit zu erklimmen. Nach dem geheimen Teaser am Ende bin ich gespannt, wie die Zukunft der Reihe aussieht und in welche fernen Welten uns Kingdom Hearts als nächstes verschlägt.

Getestet auf PlayStation 4 Pro